Vorläufiger Abschlussbericht

Am Montagvormittag hatte ich noch ein ärztliches Abschlussgespräch, Hörtraining sowohl Einzel als auch in der Gruppe und quasi in letzter Minute einen Termin in der Sozialberatung. Dann war ich entlassen.

Seit Montagabend bin ich nun wieder zuhause. Der mit der Sozialberatung der Klinik ausgearbeitete Plan sieht so aus, dass ich noch weitere vier Wochen zuhause bleiben werde um mich zu orientieren, mir eine Logopädiepraxis für’s Hörtraining zu suchen und mit Krankengymnastik weiter meinen Schwindel zu bekämpfen. Anschließend beginne ich mit einer Wiedereingliederung an meinem Arbeitsplatz um in weiteren vier Wochen schließlich wieder voll erwerbstätig zu sein.

Rückblickend muss ich feststellen, dass alles viel, viel länger gedauert hat, als ich mir vorher ausgemalt hatte. Ich war bis zur Reha sehr ungeduldig und unzufrieden. Oft habe ich die Richtigkeit der Entscheidung angezweifelt. Und ich weiß noch, wie schockiert ich war, als ich zum ersten Mal das CI am Ohr hatte! Ich habe versucht, diese Gedanken nicht an mich heranzulassen und hätte ich es laut gesagt, wäre es mir wie Versagen vorgekommen. Wenn ich das bedenke, kommt es einem Wunder gleich, dass ich heute mit Überzeugung sagen kann, dass ich den richtigen Schritt zum richtigen Zeitpunkt gemacht habe. Das, was ich mit dem CI erreicht habe, ist phänomenal und ich fühle mich wie ein Glückskind.

Heute hatte ich die erste Chorprobe seit fünf Wochen. Probe ist eigentlich nicht ganz richtig, denn es war ein kleiner Auftritt auf dem Dorffest in Weyerbusch. Wir haben nur drei Lieder gesungen und uns vorher weder eingesungen noch geprobt. Es war für mich nicht sehr verunsichernd, da ich ja schon viele Proben und sogar einen größeren Auftritt mit CI mitgemacht hatte. Das war aber vor der Reha und mit dem Hören war es zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit her. Heute hingegen war es ganz anders. Ich konnte zum ersten Mal singen und gleichzeitig das Klavier und meine Mitsänger*innen vernünftig hören. Ich hatte keinerlei Unsicherheit mehr bezüglich der Intonation, es war so leicht zu singen, ohne nachzudenken, und hat einen wahnsinnigen Spaß gemacht. Ich hätte am liebsten gar nicht mehr aufgehört. Das war für mich wirklich sehr bewegend.

Ebenso schön war es, sich vorher und anschließend schon sehr gut im Trubel unterhalten zu können. Meine Chorkolleg*innen haben mich sehr herzlich begrüßt und viele waren neugierig, zu erfahren, wie es mir heute geht und was ich erlebt habe. Es kamen viele Fragen und am interessantesten war die Frage, ob ich die Entscheidung für das CI nur aus rein medizinischen Gründen oder auch aus fachlicher Neugier getroffen habe. Tatsächlich stimmt beides. Wer den Block von Beginn an verfolgt hat, weiß, dass mein Hörvermögen schon sehr schlecht, aber ein CI noch nicht absolut zwingend notwendig war. Ich hätte mich vermutlich noch mindestens zehn Jahre durchmogeln können. Aber was hätte ich alles verpasst! Und hätte man mir vor zehn Jahren glaubhaft machen können, was ich heute weiß, dann hätte ich es schon viel früher getan, da bin ich sicher!

Umso gespannter bin ich, bald wieder arbeiten zu gehen und diese Erfahrungen die ich sammeln durfte und dieses neue Lebensgefühl weitergeben zu können.

In den nächsten zwei Jahren darf ich alle sechs Monate für jeweils eine „Blockwoche“ wieder nach St. Wendel, damit das CI nachgestellt wird und für intensives Hörtraining. Und irgendwann kommt dann das zweite CI bestimmt…

9 thoughts on “Vorläufiger Abschlussbericht

  1. Hallo , ich habe ein paar fragen. Wie geht es dir ? Was macht dein Schwindel Gefühl ? Wie ist dein Geschmack mit der Zunge ? Immer noch so ? Oder hast du wieder vollen Geschmack ? Liebe Grüße .. sei stark

    1. Hallo Viktor,
      vielen Dank für Deine Fragen!
      Der Schwindel begleitet mich nach wie vor, mal mehr, mal weniger. Jedoch habe ich gelernt, ihn besser zu kompensieren. Ich bin aber überzeugt, dass er irgendwann verschwinden wird, denn ich habe Zeiten, wo ich ihn nicht spüre. Trotz des Schwindels kann ich Fahrradfahren oder eine Leiter hochsteigen. Ich muss nur meinen Sehsinn stärker nutzen. Wenn ich die Augen zumache wird es schwieriger oder wenn ich beim Fahrradfahren nicht auf den Weg achte, sondern in der Gegend herumschaue, kann es vorkommen, dass ich vom Weg abkomme…
      Mein Geschmackssinn hat sich mittlerweile verbessert. Es fühlt sich noch nicht optimal an, aber ich koche oft und gerne (das ist vielleicht auch wenig Training) und bis jetzt hat sich noch keiner beschwert, dass etwas nicht geschmeckt hätte. Der Geschmack von Salz ist vor allem noch etwas schwach.
      Insgesamt geht es mir wieder sehr gut. Ich habe jetzt eine vierwöche Wiedereingliederung abgeschlossen und ab der nächsten Woche arbeite ich wieder ganz normal 40 Stunden pro Woche. Das CI hilft mir im Alltag sehr viel, dennoch merke ich, dass ich schnell an die Grenzen komme, gerade, wenn sich Leute im Geschäft über Kreuz unterhalten. Da muss mein Gehirn noch viel lernen und das CI vermutlich auch weiter eingestellt werden. Aber ich bin jetzt in einer Position, wo ich weiß, dass das Hören besser werden wird. Diese Hoffnung hätte ich ohne Implantation nicht haben können.
      Viele Grüße
      Axel

  2. Hallo Axel,
    es hat mir gut getan Dich und Roland auf der Reha kennengelernt zu haben. Ihr habt es tatsächlich geschafft, mir die Angst vor einem CI zu nehmen. Sollte es also bei mir so weit sein, wird mir die Entscheidung sicher nicht mehr schwer fallen.
    Ich werde Deinen Blog hier weiter verfolgen und freue mich, wenn wir uns irgendwann vielleicht mal wieder begegnen.
    Liebe Grüße
    Doerte

    1. Hallo Doerte,
      das freut mich, wenn wir das geschafft haben! Die Reha war für uns alle eine sehr intensive Zeit, glaube ich, und hat uns alle ein wenig weitergebracht.
      Ja, vielleicht trifft man sich mal irgendwann, wer weiß.
      Liebe Grüße
      Axel

    2. Hallo Doerte,
      ja es war, wie Axel geschrieben hat, eine sehr intensive und emotionale Reha mit Auf und Ab. Ich freue mich sehr, dass wir Dir irgendwelche Deine Ängste und Bedenken nehmen konnten. Es werden auch mit dem CI einige Enttäuschungen aber noch viel mehr GLÜCKSMOMENTE kommen. Du wirst es sehen und das Glück haben, diese Glücksmomente ganz intensiv spüren.
      Das ich mit dem CI das sehr intensiv erlebe ist für mich allemal der Grund, dass ich richtig entschieden habe.
      Liebe Grüße und melde Dich öfter
      Roland

  3. Sehr beruhigend zu lesen, dass jemand schreibt, dass er Zeit gebraucht hat und es länger gebraucht hat als gedacht. Ich fürchte, dass ich nach der OP selber entscheiden muss, wie lange ich gar nicht arbeiten gehe und wann ich wiedereinsteige und mit wieviel Stunden, weil ich bisher niemanden aus meinem Beruf gefunden habe, der mir seinen erfolgreichen Wiedereingliederungsplan zeigen kann.

    1. Hallo Anja,
      Du hast recht. Das ist individuell ganz verschieden und wenn der eine drei Monate braucht, kann es beim anderen neun Monate oder länger dauern. Bei mir sind es bis zum geplanten Wiedereinstieg fast genau sechs Monate seit der OP. Das ist ein bisschen Lottospiel.

  4. Hallo Axel,
    mir ist der erste Tag mit dem CI auch so ergangen. Ich hatte im ersten Moment gedacht, die größte Fehlentscheidung bezüglich der CI-OP getroffenen zu haben.

    Jetzt nach 8 Monaten ist es umgekehrt Es ist die wichtigste und absolut richtige Entscheidung. Ich bin sehr glücklich und froh, nach 52 Jahren fehlenden Hörverstehen in der Reha erstmals telefonieren zu können. Alle Experten, Ärzte und Therapeuten haben aufgrund meiner Hörhistorie mit mindestens 2-3 Jahren gerechnet. Ich letztendlich auch. Es ist ein wenig holprig und steigerungsfähig nach 8 Monaten CI.

    Aber dieses Erlebnis war bisher mein größtes Glückserlebnis mit viel Emotionen und viel feuchten Augen. Ich und natürlich viele andere CI-Träger erleben gerade in den Anfängen solche Glücksmomente aber auch einige wenige Rückschläge sehr intensiv.

    Ich bin froh, gemeinsam die Reha mit Dir durchgezogen zu haben. Vielen Dank dafür.
    R.K.

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